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Ich bring mich nach Hause
2010
Deutschsprachige Popmusik
„Mein Leben hat sich durch Köln radikal verändert.“
Ein sonniger, heißer Sommertag am Kölner Rudolfplatz. In einem Café treffen wir auf einen jungen Mann mit Käppi und T-Shirt. Man braucht schon ziemlich viel Phantasie, um in ihm Cassy Carrington zu erkennen, die gar nicht mal mehr so unbekannte Diva, die es mit der intimen und sehr dynsmischen Ballade „Ich bring mich nach Hause“ ins Finale von Euer Song für Köln geschafft hat – und demnächst ganz bestimmt in die deutsche Vorauswahl zum Eurovision Song Contest oder ins Vorprogramm von Adeles nächster Deutschlandtour.
Gesang
Die kleine Melodie, die binnen drei Minuten zur großen Geste wird, war immer schon Cassys große Leidenschaft. Ihr Vorbild: Kylie Minogue. „Ich mag ihren Stil, ihr Auftreten, ihre klare, definierte Musik. Und ich mag sie einfach auch als Frau.“ Ihre eigene Karriere startete Cassy als DJane: „Ich hab‘ Popmusik in mich aufgesogen.“ Singen und Performen kamen etwas später, anfangs mit Chansons im Stil von Annett Louisan. „Aber da ist der Zeitgeist ein bisschen drüber weg“, fand Cassy selbst und orientierte sich um: in Richtung – wohin auch sonst? – Pop.
Wie man einen Popsong schreibt, das weiß Cassy ziemlich gut: „Du brauchst eine gute Grundidee. Und die musst du dann konsequent weiterentwickeln.“ Am liebsten tut sie das gemeinsam mit dem Hamburger Produzenten Sebastian Treu, so auch bei dieser Köln-Hymne. „Das Lied ist ganz frisch fertig geworden. Die Melodie entstand im April diesen Jahres, und als ich den Aufruf für den Wettbewerb gesehen habe, dachte ich: Die ist doch perfekt dafür. Ich brauchte nur noch den richtigen Text.“
Ein guter Anlass darüber nachzudenken, wie und wieso aus dem fast unscheinbaren Mann mit dem Käppi die glamouröse Cassy wurde. „Ich stamme aus dem Münsterland, da ist es sowas von spießig“, sagt sie. 2008 zog sie an den Rhein. „Erst in Köln konnte ich zu mir finden, zu einem echten Freundeskreis, zu meinem Ich, zu meinem Selbstbewusstsein.“ Im Münsterland, sagt sie, habe sie sich nicht zuhause gefühlt. „In Köln ging das ganz schnell.“
Der Text zum Finalsong war in kaum einer Stunde fertig. „Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn‘s schnell geht. Das heißt: Da stimmt was.“ Das haben ihr auch die Zuhörer gespiegelt, für die Cassy das Lied bereits performt hat. „Der Song ist total ehrlich. Ich erzähle die Geschichte eines queeren Immis, dessen Leben sich durch die Stadt radikal verändert hat.“ Authentizität – das Zauberwort jeder relevanten künstlerischen Äußerung. Es könnte, so hofft Cassy, auch in diesem Wettbewerb zum Erfolg führen: „Ich hoffe, dass die Leute spüren, dass meine Geschichte echt ist.“
Das Preisgeld würde sie – sollte sie gewinnen – in ihre Musik stecken. Für ihr neues Album, das mittlerweile vierte, kann sie jeden Cent gebrauchen. Anfang 2026 soll es erscheinen, wie bisher immer im Eigenverlag. „Das ist schon okay so, ich bin ja in erster Linie eine Live-Künstlerin“, sagt Cassy, die unter anderem Deutschlands größte Bingo-Liveshow moderiert und regelmäßig in Schulklassen über Vielfalt und Diversität aufklärt.
Einen Wunsch aber hätte Cassy: „Ohne Label kommt deine Musik nicht ins Radio. Es ist wirklich schade, dass die deutschen Sender so wenig für die kleinen Künstler tun.“ Wer weiß? Vielleicht steht beim Finale am 29. Oktober 2025 ja ein Musikredakteur im Publikum und hört aufmerksam zu?
